Lösungen Kapitel 25
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Aufgabe 25.1:
Wie Makromoleküle sich durch Polymernetzwerke schlängeln
Die Idee der Reptation kommt aus der Physik flexibler Polymernetzwerke. Der Begriff charakterisiert die schlangenartige Bewegung einzelner Polymere durch das Netzwerk. Man kann diese Bewegung beobachten, indem man fluoreszierende Filamente einbaut oder kolloidale Goldpartikel an die Filament andockt (z. B. über Biotin-Streptavidin, [1]). Wie Abb. 25.1 zeigt, erlauben die umgebenden Makromoleküle nur eine diffusive Bewegung in Richtung der lokalen Achse der Filamente. Aus diesem Grund kann man deren Einfluß durch eine Röhre (die sog. Reptationsröhre) beschreiben. Einzelne Filamente bewegen sich in der Röhre durch eindimensionale Diffusion hin und her, wobei sie aus den beiden Enden der Röhren hervorragen und auf diese Weise ihre Richtung ändern können [2]. Die Diffusion wird durch die thermische Bewegung der umgebenden Polymere angetrieben, die fluktuierende Scherkräfte auf das Reporterfilament ausüben [1].
In Abb 25.1 wurde gezeigt, wie man den Diffusionskoeffizienten der Reptation durch Messung des mittleren Verschiebungsquadrats in Richtung der Röhrenachse messen kann, wobei man an ein Segment der Kette ein Goldpartikel mit 800 nm Durchmesser andockt. Der Vorteil der Methode gegenüber der Fluoreszenzmethode besteht darin, dass man Messungen über Stunden durchführen kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass man durch Verwendung von super-paramagnetischen Partikel Kräfte in Richtung senkrecht und parallel zur Längsachse anlegen kann, um lokale viskoelastische Module zu messen. Die Methode wurde in [3] beschrieben.
Aufgabe 1: Die Reptationszeit ist die Zeit, die ein Filament der Länge braucht, um sich aus der momentanen Reptationsröhre zu befreien. Nach der Einsteinbeziehung ist diese: .
ist jedoch von der Länge L abhängig, da der Diffusionskoeffizient vom Reibungskoeffizienten des Filaments abhängt
Andererseits nimmt mit der Filamentlänge (oder der Zahl N der Segmente flexibler Ketten) zu . Daher wird:
Der interessierte Leser findet die genaue Beziehung zwischen und L für semiflexible Polymere in Referenz [3] und der dort angegebenen Literatur. Die Reptationszeit spielt eine wichtige Rolle für die terminale Relaxationszeit der viskoelastischen Impedanz, die im Kapitel 26 eingeführt wurde.
Aufgabe 2: Abb. 1b zeigt, dass das das mittleren Verschiebungsquadrate senkrecht zur lokalen Achse des Filaments sättigt. Aus vielen Messungen des Sättigungswertes erhält man die Verteilung . Wie Abb. 1b zeigt, ist normalverteilt. Da die maximalen Auslenkungen durch die rücktreibende Kraft aufgrund der thermischen Bewegung der Makromoleküle bestimmt ist, können wir mit gutem Gewissen annehmen, dass durch eine Boltzmann- Verteilung bestimmt ist:
Da normalverteilt ist, wird das Potential V harmonisch: , Die Kraft auf das Testfilament ist also gegeben durch . Die Messungen in [1] (für ein Aktinnetzwerk mit der Maschenweite ) zeigen, dass die Kraftkonstante des Potentials () zwischen und variiert. Dies zeigt, dass der Durchmesser der Reptationsröhre entlang des Filaments stark variiert, das Netzwerk also nicht ideal homogen ist. Wir erhalten für die Abstoßungskraft (auf die Kraftsonde) . Die durch thermische Fluktuationen erzeugte Kräfte sind von derselben Größenordnung .
Referenzen:
1 Dichtl, M., Sackmann, E. (1999) New Journal of Physics 1: 18.1- 18.11.
2 P de Gennes 'Scaling law of polymer physics' Cornell University Press 1979
3 Doi, M., Edwards, SF. The theory of polymer dynamics. Clarendon Press Oxford 1986.
Aufgabe 25.2:
Zum Auflösungsvermögen der Ultramikroskopie mit kolloidalen Gold-Sonden.
Die um 1920 von R.A. Zsigmondy (Nobelpreis 1925) entwickelte Ultramikroskopie war die erste Methode zur Untersuchung von Nanostrukturen und spielte für die Entwicklung der Kolloidforschung eine zentrale Rolle. Die Beobachtung der Nanopartikel (Durchmesser von 10 bis 30 nm) erfolgt durch Registrierung der Beugungsbilder. Im klassischen Ultramikroskop werden die Objekte von der Seite (d.h. senkrecht zur optischen Achse) beleuchtet, während man heute konfokale Mikroskope einsetzt und die Signale mit CCD-Kameras registriert. Dadurch sind Zeitauflösungen von 10 ms möglich.
In der Biophysik benutzt man die Methode der Partikelverfolgung zur Untersuchung des intrazellulären Transports von kolloidalen Sonden oder Endosomen, zur Messung der viskoelstischen Impedanzspektren in Aktinnetzwerken (Kapitel 26 und [10]) und Zellen oder zur Messung der Lateraldiffusion in Membranen (Kapitel 10).
In Analogie zu der Methode der Nano-Fluoreszenzmikroskopie kann man die Position kolloidaler Sonden in der Bildebene mit einer Genauigkeit von 2.5 nm bestimmen. Man macht dabei von der Tatsache Gebrauch, dass die Intensitätsverteilung des Beugungsbildes (die Punktverteilungsfunktion) der Sonde durch die bekannte Airy Funktion bestimmt ist und dass diese im Bereich des Hauptmaximums, mit guter Näherung durch eine Gaußfunktion angenähert werden kann. Dadurch kann man die durch die endliche Größe der Pixel der Kamera bestimmte Auflösung erhöhen.
Man kann die stufenförmige Verteilung glätten; beispielsweise durch Integration und Anpassung der entstehenden Kurve an das entstehende Fehlerintegral. Der Vorteil der kolloidalen Sondentechnik ist eine hohe Zeitauflösung.
Zusatzfrage: Weshalb benutzt man Goldpartikel als Sonden?
Der Grund liegt in dem hohen Streuquerschnitt der Partikel. Falls der Durchmesser d klein gegen die Wellenlänge ist () kann ist die gestreute Intensität durch die Rayleigh-Theorie bestimmt. Der Streuquerschnitt der Partikel ist von der Form:
Dabei ist die Polarisiserbarkeit nach der Clausius Masotti Gleichung , die Dielektrizitätskonstante von Gold und die von Wasser (). Der Brechungsindex von Gold ist komplex und die Werte sind (für 600 nm) und , d.h. . Für Glaskugeln wäre .
Bei Durchmessern wird die Situation sehr kompliziert. Da die elektromagnetische Welle Oberflächen-Plasmonen der elektrisch leitenden Kugel anregt werden, werden die Amplitudemverteilungender gestreuten Welle sehr kompliziert und man muss die Mie-Streuung betrachten.
Referenzen:
1 D. Arcizet, et al. (2008) Temporal Analysis of Active and Passive Transport in Living CellsPhys. Rev. Lett. 101, 248103. 2 J.C. Crockeret al. (2000) Two -point microrheology of inhomogeneous soft material. Phys. Rev. Letters 85: 888-892. 3 F. Ziemann, J. Rädler and E. Sackmann (1994) Local measurements of viscoelastic moduli of entagled actin networks using an oscillating magnetic bead micro-rheometer. Biophys. J. 66: 2210-2216. 4 Bergmann Schaefer 'Lehrbuch der Experimentalphysik', de Gruyter 1978
Aufgabe 25.3:
Anwendung von Polymerfilmen. Schutzfunktion der Glykokalix der Zellen. Reibungsminderung durch Polymerfilme: ein Trick der Delphine
Einleitung in Physik von Polymerfilmen.
Die Natur benutzt Polymere in vielfältiger Weise. Die Glykoproteine und Glykolipide der Glykokalix schützen Zellen vor dem Eindringen von Viren oder anderen pathogenen Substanzen (s. Kapitel 9). Konzentrierte Lösungen aus Polyelektrolyten wie Hyaluronsäure (HA) und Proteoglykane (s. Kapitel 23) dienen zur Minderung der Reibung zwischen Gelenken, (s. Abb. 4a). Die Knochen der Gelenke sind mit Knorpelgewebe bedeckt, das aus Zellen (vor allem Chondrozyten) und dem diese umgebenden Stützgewebe aufgebaut ist. Diese sind aber durch die viskose Synvial-Flüssigkeit (Gelenkschmiere genannt) getrennt, ohne die die Gelenke schnell durch Reibungskräfte zerstört würden.
Die Biopolymere der extrazellulären Matrix sind in der Regel Polyelektrolyten, wie Hyaluronsäure, und die physikalischen Eigenschaften unterscheiden sich daher bei niedrigen Ionenstärken häufig von denen neutraler flexibler Polymere. Wie wir in Kapitel 24 sahen, erhöht sich die Kuhn-Länge und die Makromoleküle verhalten sich häufig semiflexibel. Andererseits werden bei den physiologischen Salzstärken von 400 mM die Ladungen weitgehend abgeschirmt (Debey-Länge ) und die Polyelektrolyten verhalten sich in erster Näherung wie neutrale Polymere. Daher beschränken wir uns in dieser Einleitung auf die Beschreibung der physikalischen Eigenschaften oberflächenverankerter neutraler Makromolküle, deren Grundlagen in mehreren Pionierarbeiten von P. de Gennes entwickelt wurden [1], [2]. Die Struktur der Polymere hängt entscheidend von der lateralen Dichte ab (s. Abb. 1). Bei sehr kleinen Dichten spreiten die Polymere vollständig. Aufgrund der Entropie bilden die Ketten jedoch Falten und sind nur partiell adsorbiert. Sie bilden eine pfannkuchenartige Struktur der Dicke d. Solche Zustände bilden flexible Proteine oder Segmente integrale Proteine, die an Membranoberflächen adsorbieren (s. Abb. 9.4 und Abb. 1). Erhöht man die Konzentration, so entweichen die Filamente in die dritte Dimension und bilden pilzartige Strukturen. Deren Höhe ist durch den Flory-Radius bestimmt ist. Erhöht man die Konzentration weiter, so strecken sich die Ketten weiter und bilden eine Bürste. In diesem Zustand besteht die Filamente aus perlschnurartigen Anordnungen von Knäueln aus g Monomeren (englisch Blobs genannt). Diese verhalten sich wie ideale Ketten mit Radien . Nur in diesem Zustand kann die Glykokalix das Eindringen von Viren oder makromolekulare Schadstoffe behindern. Wir wollen die folgende Diskussion auf diesen Zustand konzentrieren.
Wie wir in Kapitel 24 gelernt haben, beschreiben wir das Verhalten der Einfachheit halber durch Skalengesetze, die wir auch nicht näher begründen. Wir haben gelernt, dass der osmotische Druck einer verdünnten Lösung durch die Virialentwicklung der freien Energie nach dem Volumenbruch bestimmt ist: und dass in der Regel der zweite Virialkoeffizient größer ist als der erste. Diese Gleichung gilt nicht exakt für halbverdünnte Lösungen. Da deren Verhalten auch durch Fluktuationen der Monomerendichte bestimmt ist, wird der Ausdruck für leicht modifiziert:
(1)
Wenn wir annehmen, dass sich die Makomoleküle wie Flory-Ketten benehmen, so ist die Zahl der Monomere pro Blob durch die Bedingung gegeben, wie man mit Hilfe von Gl 24.8 leicht nachvollziehen kann. Die Konzentration der Monomere ist und damit wird und . Die Schutzfunktion der Glykokalix hängt daher empfindlich von der Packungsdichte der Oberflächenproteine der Membranen ab.
Wechselwirkungspotentiale:
a) Zwischen zwei ebenen, mit Bürsten bedeckten Flächen: Das repulsive Potential zwischen zwei ebenen Flächen ist durch die Zunahme des osmotischen Drucks aufgrund der Verdichtung der Monomere bestimmt. Ist die Länge der Bürste im Gleichgewicht und wird der Abstand auf 2 L verkürzt, so ist die Abstoßungskraft:
(2)
Dieser Zusammenhang zwischen dem osmotischen Druck und der Polymerdichte wurde von der Gruppe von Jacob Klein mit Hilfe der 'surface force apparatus' geprüft [4]. Bei dieser Technik werden zwei zylinderförmige Oberflächen, die um 90 \degree gegeneinander verdreht sind, aufeinander gepresst und der Abstand als Funktion der Kraft gemessen. Der Abstand wird mittels Interferometrie mit nm-Genauigkeit bestimmt. Abb. 2 zeigt ein Kraft-Abstandsdiagramm das für Bürsten aus Polystyrol gemessen wurde. Die ausgezogene Kurve entspricht der Gl. (2) und zeigt, dass Modell und Experimentrecht gut überein stimmen, wenn auch nur über einen kleinen Bereich des Volumenbruchs.
b) Van der Waals Kräfte zwischen gekrümmten Flächen:
Für biologische Anwendungen interessieren vor allem die Van der Waals Kräfte zwischen kugelförmigen Objekten und flachen oder gekrümmten Oberflächen. Diese kann man auf mehrere Weisen messen. Die effektivste Methode ist AFM, wobei man eine Kugeln auf die Spitze des AFM-Candilevers fixiert und die andere auf einer flachen Oberfläche (s. Abb. 2 und [5]). Eine Methode zur Messung sehr schwacher Kräfte beruht auf der Analyse der Brownschen Bewegung einer Testkugel auf einer Oberfläche (z. B von Zellen) mittels Mikrointerferometrie (RICM), die wir weiter unten zur Messung der Oberflächenreibung benutzen.
Theoretische Grundlagen der Messung: Wie mehrfach erwähnt, ist das Wechselwirkungspotential zwischen zwei Ebenen im Abstand D von der Form:
. (3)
wobei H die Hamaker-Konstante ist (s. Kapitel 11.3). Für die schwierigere Situation gekrümmter Objekte (mit Krümmungsradien und ) hat B. Derjaguin die Beziehung für die Kraft (in N) abgeleitet:
(4)
Diese geht für den Fall in die Gleichung über. Das zugehörige Potential hat dann die Form:
(5)
Die Derjaguin-Näherung der Repulsionskraft wurde mit der AFM Technik einigermaßen befriedigend bestätigt[5]. Eine andere Methode zur Messung des Potenials V(h) ist die in Kapitel 8.3 und Aufgabe 19.3 beschriebene Analyse der Brownschschen Bewegung im harmonischen Potential.
Hydrodynamik polymerer Filme.
Zur Messung der Oberflächenreibung von Polymerfilmen gibt es zahlreiche Methoden. Zur Untersuchung weicher hydratisierter Filme, wie der Glykokalix (auch Hydrogele genannt), kann man die schon in Aufgabe 19.3 eingeführte kolloidale Sondentechnik einsetzen. Für dicht gepackte Polymerbürsten benutzt man den 'surface force' Apparat [4]. Wir betrachten hier die erste Methode, da wir dabei etwas über die wichtigen hydrodynamischen Eigenschaften von Oberflächen lernen [7]. Als Beispiel betrachten wir oberflächenverankerte Filme aus Hyaluronsäure [8]. Im Experiment beobachtet man die durch die Schwerkraft getriebene Sedimentation einer kolloidalen Sonde auf die Oberfläche und misst die Höhe h der Kugel über der Oberfläche als Funktion der Zeit mittels Mikro-Interferometrie (mittels Zweifarben-RICM [8]). Die Methode wird ausführlich in [8] beschreiben und wir geben hier nur das Ergebnis an. Weit oberhalb der Oberfläche ist die Reibungskraft durch die klassische Stokes-Gleichung bestimmt: , wobei die Viskosität des Lösungsmittels ist. Bei Annäherung an die Oberfläche (in vertikaler Richtung) ändert sich die Viskosität gemäß , wobei eine komplizierte Funktion ist. Für kleine Werte von wird [7]:
(6)
Beobachtet man nun die Brownsche Bewegung im Gleichgewichtsabstand <h>, so ist diese nach der Einsteinbeziehung ( ist der Reibungskoeffizient) ebenfalls von der Viskosität abhängig. Man kann die Viskosität dann mit der Methode der in Kapitel 26 beschriebenen Nano-Rheologie bestimmen, indem man die Brownsche Bewegung in horizontaler und vertikale Richtung analysiert. Für die horizontale Bewegung wurde von Brenner [7b] die Näherungsformel:
(7)
Die Näherungsformeln wurden von Pralle et al.[9] experimentell bestätigt. Zur Messung der beiden Viskositäten als Funktion der Höhe h wurde der Abstand von der Oberfläche mit Hilfe der Laserfalle eingestellt. Mit der RICM-Methode ist der Gleichgewichtsabstand durch das Oberflächenpotential V(h) bestimmt. In letzteren Experimenten wurden folgende Werte an der Oberfläche ein er 150 nm Abstand von h=150 nm gemessen:
Reine Glasoberflächen: \quad Ha-beschichtetes Glas :
Der Polymerfilm erhöht die Reibungskraft um etwa einen Faktor 2. Die dadurch bedingte Verminderung der Reibung schwimmender Körper diskutieren wir weiter unten.
Der Widerstand Die Rolle der Grenzschicht:
Der Strömungswiderstand (oder die Reibungskraft ) von Fischen ist durch zwei Faktoren bestimmt: Erstens durch die Energiedissipation aufgrund der Ablösung von Wirbeln an den Rändern des Schwanzes und der Flossen, den man auch als induzierten Widerstand bezeichnet. Zweitens durch die Ausbildung der Grenzschicht an der Oberfläche. Es gibt zwei Arten von Grenzschichten: laminare und turbulente. Beide sind die Folge der Randbedingung, dass die tangentiale Geschwindigkeit ( in Abb.3) an Oberflächen null ist (engl. no slip condition) und die senkrechte verschwindet. In der Grenzschicht fällt die Geschwindigkeit schnell auf null ab d.h. die Reibungskraft () ist sehr groß.
Die Dicke der Grenzschicht ist umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Reynoldszahl Re: . Die Reynoldszahl ist gleich dem Verhältnis der Beschleunigungskraft zur Reibungskraft (s. Kapitel 36): , wobei U die mittlere Geschwindigkeit der Körper ist. Die gesamte Reibungskraft pro Länge senkrecht zur Strömungsrichtung (y-Achse) ist gegeben durch (s [10] §39) :
(8a)
Man führt in der Technik anstatt oft die Widerstandszahl (oder Widerstandsbeiwert) C ein, gemäß:
(8b)
Der Widerstandsbeiwert der laminaren Grenzschicht steigt also mit der effektiven Viskosität der Oberfläche.
Worin besteht dann der Vorteil der Filme aus hydrophilen Polymeren? Zur Beantwortung der Frage müssen wir die turbulente Grenzschicht betrachten (deren Theorie ausführlich in [10] §40 und 41 beschrieben wurde). Diese entsteht graduell mit zunehmendem Abstand von der Vorderkante der Köper (z. B. einer sehr langen Platte). Ursache ist die eigenartige Zunahme der Reynoldszahl der Grenzschicht (d.h. des Einflusses der Trägheitskräfte) mit dem Abstand x von der Vorderkante(s. Abb. 3b). Daher wird ab einem gewissen Abstand x die laminare Strömung instabil und wird turbulent. Der Widerstands-Beiwert nimmt schlagartig zu (um etwa einen Faktor 5) und hängt nun logarithmisch von Re ab:
(9)
Abb.3a zeigt, dass oberhalb eines kritischen Werts von Re ein Umschlag von der laminaren in die turbulente Grenzschicht erfolgt. Deren Entstehung erkennt man an dem plötzlichen Auftreten von wellenartigen Erregungen der Flüssigkeit, die sich entlang der Oberfläche nach hinten ausbreitet. Diese ist mit einer abrupten Zunahme des Verhältnisses der vertikalen zur horizontalen Komponente der Geschwindigkeit verbunden, das in der laminaren Grenzschicht proportional zu und damit sehr klein ist [10]. Der zusätzliche Widerstand der turbulenten Strömung beruht auf den sehr großen Geschwindigkeits- Gradienten innerhalb der Wirbel, wodurch schnelle Teilchen von Bereichen hoher in solche niedrigerer Werte getrieben werden. Dadurch können große lokale Kräfte entstehen, weshalb Moskitos turbulente Strömungen meiden. Bei noch größerem Abstand x löst sich (aufgrund der Zunahme von Re) die Grenzschicht von der Oberfläche ab und die turbulente Strömung dringt in das Volumen ein. Hinter den schwimmenden Objekten entsteht daher ein Schweif turbulenter Strömung, Die Natur hat im Verlauf der Evolution mehrere Lösungen zur Reduktion der Reibung unter Ausnutzung der oben beschriebenen hydrodynamischen Eigenschaften der Grenzschichten gefunden:
1) Um den Widerstand zu reduzieren muss man dafür sorgen, dass die Ablösung am Ende des Körpers erfolgt und dass der turbulente Bereich möglichst eng ist. Dies wird durch die Stromlinienform der Fische (oder der Pinguine) und spitz zulaufende Enden realisiert.
2) Um die Wirbelbildung zu behindern oder möglichst weit an das hintere Ende der Körpers zu verlagern (wodurch der Durchmesser des turbulenten Schweifs erniedrigt wird) wird die Reibung der laminaren Schicht erhöht. Dies erfolgt bei Fischen durch den so genannten Fisschleim.
Biologische Anwendungen.
Abbildung 4 zeigt zwei wichtige Beispiele der Anwendnung von Polymerfilmen in der Biologie. Abb. 4a zeigt die Unterdrückung der Reibung zwischen den Knochen der Kniegelenke durch einen dünnen Film aus Hyaluronsäure. Abb 4b zeigt schematisch, dass Viren oft lange Brownsche Bewegungen auf der Oberfläche der Zellen ausführen müssen, ehe sie die Glykokalix durchdringen können [Bräuchle].
Referenzen:
1 De Gennes, P. (1981), (1982) Polymers at an Interface 1 und 2. Macromolecules 14, 1637.und 15, 492.
2 Scaling concepts in polymer physics. Cornell University Press 1979
3 Alexander, S.(1987) Journal de Physique 38,839
4 Taunton, H., et al. (1988) Forces between surfaces bearing terminally anchored polyme chains in good solvents. Nature 323:, 712.
5 Rentsch, S., et al. (2006) Probing the validity of the Derjaguin approximation for heterogeneous colloidal particles. Phys. Chem. Chem. Phys. 8: 2531-2538
6 Israelachvili, J. Intermolecular and surface forces. Academic Press, New York 1985
7 (a) Brenner, H. The slow motion of a sphere through a viscous fluid towards a solid surface. (b) Happel, J., Brenner H. Low Reynolds Number hydrodynamics. Kluwer Academic Publishers Dordrecht 1997
8 Schilling, J. et al. (2004) Phys. Rev E 69 021901.
9 Pralle, A et al. (1998) Applied Physics A 66: 71-73
10 Landau L.und Lifshitz E.Theoretische Physik Hydrodynamik § 39.
11 Rechenberg, I. Vorlesung Bionik WS 2000/2001,erhältlich über Wikipedia.
12 Kurrle A. et al.(1990) Biochemistry 29: 8274-8282