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Lösungen Kapitel 37

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Contents

Aufgabe 37.1:

Amplitudenverteilung der Beugung am Spalt.

Die Kenntnis der Amplitudenverteilung des Spaltes hilft bei der Lösung vieler, praktisch wichtiger Anwendungen, wie bei der Berechnung der Auflösung des Mikroskops. Der Spalt liege in der x, z-Ebene.

Ausgangspunkt Gleichung 37.1: LaTeX: E(k_x,k_y)=const \int_{-\infty}^\infty dx dy \sigma(x,y) e^{i(k_xx+k_yy)}

Die Spaltbreite sei LaTeX: 2x_0. Daher ist LaTeX: \sigma =1 für LaTeX: |x|<x_0 und LaTeX: \sigma = 0 für LaTeX: |x|>x_0. Die Integration liefert:

LaTeX: E(k_x)=const \int_{-x_0}^{+x_0} dx A e^{i(k_xx)}=const \frac{sin(k_xx_0}{k_xx_0}


Ein schematische Darstellung der Amplitudenverteilung zeigt folgende Skizze:

37 1 neu.png

Die Nullstellen der Amplitudenverteilung sind bestimmt durch: LaTeX: k_xx_0=\frac{2\pi}{\lambda}=m\pi wobei m ganze Zahlen sind. Als Halbwertsbreite des Beugungsbildes kann man die erste Nullstelle von LaTeX: E(k_x) definieren. Der zugehörige Wellenvektor ist LaTeX: k_{x_o}= \frac{1}{x_0}. Die Breite der Amplitudenverteilung ist dann gleich der reziproken Spaltbreite.



Aufgabe 37.2:

Anwendung des Konvolutionstheorems

Aufgabe a: Die Dichteverteilung des eindimensionalen Gitters der Gitterkonstante a hat die Form: LaTeX: \sigma (x)= \sum_0^{N-1}A\delta(x-na). Die Amplitudenverteilung hinter dem Gitter ist:

LaTeX: F(k)=\int_{-\infty}^\infty dx \sum_0^{N-1}A\delta(x-na) e^{ikx}=A \sum_0^{N-1}e^{iknx}

F(k) lässt sich als geometrische Reihe darstellen:

LaTeX: F(k)=A \sum_0^{N}e^{iknx}=a \frac{1-e^{ikNa}}{1-e^{ika}}=A \frac{e^{\frac{ika}{2}}}{e^{\frac{ikNa}{2}}} \frac{sin(\frac{kNa}{2})}{sin(\frac{ka}{2})}  (1a)

Die Intensitätsverteilung wird schließlich:

LaTeX: I(k)=F(k)F^*(k)=A^2\frac{sin^2(\frac{kNa}{2})}{sin^2(\frac{ka}{2})} (1b)

Der Zähler hat sehr viel Nullstellen bei den Werten LaTeX: k_0= \frac{2\pi}{Na}. Die Intensitäten sind aber nur bei den Werten LaTeX: k_{00}=\frac{2\pi}{a} groß, da die Zähler und Nenner null sind. Es wird nach der Bernoulli-de'Hospital Regel:

LaTeX: F(k_{00})=A^2N\frac{cos(\frac{kNa}{2})}{cos(\frac{ka}{2})} und LaTeX: I(k_{00})=A^2N^2 (2)

Aufgabe b: Hier benutzen wir eine interessante Erweiterung auf eine unendlich lange Anordnung von LaTeX: \delta -Funktionen Gitter: Die Amplitudenverteilung wird wieder eine unendliche Anordnung von Deltafunktionen: LaTeX: \sigma(x)=\sum_{-\infty}^{+\infty}\delta(x-na) , wie folgende Überlegung zeigt. Es wird

LaTeX: F(k)=A\int_{-\infty}^{+\infty} eikx \sum_{-\infty}^{+\infty}\delta(x-na) dx= A \sum_{-\infty}^{+\infty}e^{ikna}

Die Fourierentwicklung der LaTeX: \delta -Funktion ist eine Konstante, z.B. LaTeX: 1=\int_{-\infty}^{+\infty} e^{ikx}dk. Damit wird:

LaTeX: F(k)=A\int_{-\infty}^{+\infty} \sum_{-\infty}^{+\infty}e^{ikna} dk=\sum_{-\infty}^{+\infty}\delta(kx-nka)

Wir betrachten zwei Beispiele.

1) Die Wirkung einer Blende der Breite d mit d >> a. Man kann die Dichteverteilung LaTeX: \Sigma(x) als Konvolution der endlichen Reihe von LaTeX: \delta -Funktionen LaTeX: \sigma_1(x)=\sum_{-\infty}^{+\infty}A \delta(kx-nka) und der Spaltfunktion LaTeX:  \sigma_2 (x), aus der Aufgabe 37.1 darstellen. Es wird LaTeX: \sum(x)=\int dx' \sum_{0}^{N-1}A \delta(kx-nka) \sigma_2(x')=\Sigma_1(x) \otimes \Sigma_2(x) (s. Abb. 1 links). Nach dem berühmten Konvolutionstheorem der Fouriertransformation ist die Fouriertransformierte (FT) der Faltung gleich dem Produkt der FT der Einzelfunktionen. Man kann nun FT{LaTeX: \Sigma_1} umformen indem man von folgender Eigenschaft der LaTeX: \delta -Funktion Gebrauch macht:

LaTeX: \delta(x)=-\int_{-\infty}^{+\infty} e^{ikx} dx und LaTeX: \delta(x-a)=\frac{1}{2\pi}\int_{-\infty}^{+\infty} e^{ikr}e^{ika}dx=\frac{1}{2\pi}e^{ika}

Da die FT der LaTeX: \delta -Funktion konstant ist, folgt LaTeX: FT (\Sigma_1)=\sum_0^{N-1} e^{ika}.Damit erhält man Gleichung 1a. Die LaTeX: \delta-Funktionen im Impulsraum werden verbreitert und die kleinen Seitenbänder werden modifiziert. Dies enspricht der Situation der Röntgenstreuung an sehr kleinen Kristallen.

2. Falls d<< a wird aus der Folge von Deltafunktionen eine unendliche Folge von Impulsen der Breite b. Man kann LaTeX: \Sigma (x) als Folge aller Konvolutionen der LaTeX: \delta -Funktionen mit dem Impulse darstellen. Die Streufunktion F(k) ist wieder eine unendliche Folge von LaTeX: \delta -Funktionen. Deren Amplituden sind aber durch die Fouriertransformation der Impulsfunktion moduliert.

LaTeX: F(k)=A\frac{sin(\frac{kd}{2})}{\frac{kd}{2}}\frac{sin(\frac{kNa}{2})}{sin(\frac{ka}{2})}

Abb. 1: Links: Symbolische Darstellung der Faltung des Gitters mit dem Spalt. Rechts: Intensitätsverteilung des Beugungsbildes des Gitters mit N Gitterpunkten.nach Gl.(2). b) Intensitätsverteilung bei Einschränkung der Reihe von LaTeX: \delta-Funktionen durch einen Spalt.


Abb. 1b zeigt die Modulation der Amplitude der Reflexe. Dieser Fall entspricht in der Röntgen- und Neutronenbeugung der Berücksichtigung der Atomform-Faktoren.






Aufgabe 37.3:

Optische Transferfunktionen von Blenden und Aperturen

Wir betrachten die Frauenhofer-Beugung hinter einer kreisförmigen Lochblende mit dem Radius R. Die Durchlässigkeit des Schirms ist bestimmt durch die Funktion LaTeX: \sigma(r) = 0 für LaTeX: r> R und LaTeX: \sigma (r)= A für LaTeX: r< R. Man modifiziert Gl 37.1 durch Einführung von Zylinderkoordinaten LaTeX: (\rho ,\phi ,z):

LaTeX: F(k_x,k_y)=A\int d^2\vec{r}\sigma(r) e^{i\vec{k}\vec{r}}=A\int_{0}^{2\pi} d\phi \int_0^Rdr e^{ikr cos(\vec{k}\vec{r})} (1)

Dabei ist LaTeX: ikr cos(\vec{k}\vec{r}) das Skalarprodukt der Vektoren LaTeX: \vec{k} und LaTeX: \vec{r}. Man betrachtet in der Regel nur die Amplitudenverteilung in einiger Entfernung von der Blende da man dann nur das Fernfeld betrachten muss. Aufgrund der Zylindersymmetrie kann man über den Winkel LaTeX: \phi integrieren. Das Integral über r führt zu Besselfunktionen erster Art:

LaTeX: F(k,L)=A \frac{J_1(kr)}{kr} und LaTeX: I(k,L)=A^2 \frac{J_1(kr)^2}{(kr)^2} (2)

Dies ist die berühmte Gleichung des Airy Beugungsscheibchens für LaTeX: R>\lambda


Abb1: a)Zur Berechnung des Airy Beugungsscheibchens und der Definition des Winkels LaTeX: \theta. Der Abstand des Beobachtungsorts von der Blende sei L. b) Intensitätsverteilung nach Gl. (2. Das Bild wurde nach Wikipedia (Stichwort Beugungsscheibchen) modifiziert. Der Einsatz zeigt die Besselfunktion erster Art LaTeX: J_1. c) Intensitätsverteilung des Airy Beugungsscheibchens mit Angabe der relativen Amplituden der Maxima.

Der Durchmesser des zentralen Beugungsscheibchens ist durch die erste Nullstelle der Funktion LaTeX: I(k) bestimmt. Diese beobachtet man unter dem Winkel LaTeX:  \theta=1.2196  \frac{\lambda}{R}.

Zur Berechnung des Beugungsscheibchens für den Grenzfall LaTeX: R<<\lambda entwickeln wir LaTeX: J_1(x) nach Potenzen von x und dividieren durch x (mit LaTeX: x=kr), um die Intensität nach Gl.2 zu berechnen:

LaTeX: J_1(x)= \frac{x}{2}-\frac{1}{2}(\frac{x}{2})^2+ \frac{1}{12}(\frac{x}{2})^5 \quad LaTeX: \rightarrow \quad LaTeX: I(x)\propto 1-(\frac{x}{2})^2+ \frac{1}{6}(\frac{x}{2})^4

I(x) hat in erster Näherung die Form einer Gaußfunktion.

LaTeX: I(x)\propto e^{-(\frac{kr}{2})^2}

Wir haben schon mehrfach von der Tatsache gebraucht gemacht, dass die Airyfunktion im Grenzfall LaTeX: R<<\lambda  die Form einer Gaußfunktion hat und gleich der Punktverteilungsfunktion punktförmiger Lichtquellen ist.

Das Prinzip von Babinet besagt: Eine Apertur (oder ein beliebiges geformtes Loch in einem Schirm) erzeugt dieselbe Beugungsfigur, wie eine Blende derselben Größe und Form. Man versteht das Prinzip, wenn man bedenkt, dass die Beugung durch ein Objekt allein durch den Dichteunterchied zwischen Objekt und Umgebung bestimmt ist.



Aufgabe 37.4:

Die Guinier-Gleichung als Methode zur Messung der Radien und Formen supramolekularer Komplexe.

Diese Aufgabe wird im Rahmen der Ergänzung über die Kleinwinkelstreuung in Appendix 37.A gelöst.



Aufgabe 37.5:

Das Rayleighkriterium zur Auflösung des Mikroskops

Berechnung über Beugungsscheibchen: Man kann einfach die Ergebnisse der Aufgaben 37.1 und 37.3 benutzen. In 37.3 haben wir die Breite des Beugungsscheibchens berechnet und angenommen, dass diese durch die erste Nullstelle der Funktion I(k) bestimmt ist (s. Abb.1). Diese beobachtet man unter dem Winkel LaTeX: \theta_m=1.2196  \frac{\lambda}{R}. In der mikroskopischen Abbildung hat das Beugungsscheibchen den Radius LaTeX: r_{min}= 1.22 \frac{ \lambda f}{R}. Nach der unteren Abbildung ist der minimale Abstand den zwei Objekt haben müssen, um getrennt beobachtet zu werden:

LaTeX: d_{min}\approx 2.44 \frac{\lambda f}{R}


Abb.1: Zur Bestimmung des Auflösungsvermögens des Mikroskops.


Aufgabe 37.6:

Warum Vögel und Flugzeugen fliegen können.

Für die Beantwortung der Frage erinnern wir und an zwei fundamentale Gesetze der Hydrodynamik: Das Bernoulli Gesetz und die Helmholtzsche Wirbelsätze.

1. Zu den Wirbelsätzen (in reibungsfreiem Medium): (i) Eine wirbelfrei Strömung bleibt es für alle Zeiten. (ii) Entsteht in einer Strömung an irgend einer Stelle ein Wirbel (z. B. am hinteren Rand der Flügel, s. Abb. 1) so bleibt er für alle Zeiten erhalten und bewegt sich mit der Strömung (so wie der Ablösewirbel an den Flügeln). (iii) Die Zirkulation LaTeX: Z=\oint_S ds u(s) einer Wirbelströmung bleibt erhalten. Der Grund für die Wirbelgesetze ist die Erhaltung des Drehimpulses.

(2) Bernouilli-Gesetz: Augrund der Energieerhaltung ist die Summe der potentiellen (dem Druck p) und der kinetischen Energiedichte (LaTeX: \rho \frac{v^2}{2}) konstant:

LaTeX: p+\frac{1}{2}\rho v^2=const (1)

Man nennt LaTeX: \pi den statischen Druck und LaTeX:  \Pi=\rho \frac{v^2}{2} den Staudruck. Im Schwerefeld kommt auf der linken Seite noch der Ausdruck LaTeX:  \rho gh (LaTeX: \rho Dichte; h: Höhe, g: g-Faktor) hinzu.

Anwendung: Der dynamische Auftrieb fliegender und schwimmender Körper. Es gibt zwei Gründe für den Auftrieb der Flügel, falls diese gegenüber der Oberfläche um den Anstellwinkel LaTeX: \alpha geneigt sind (s. Abb.1). Der erste beruht auf dem tropfenförmigen Querschnitt. Dadurch wird die Strömungsgeschwindigkeit LaTeX: U_0 auf der Oberseite beschleunigt und auf der Unterseite verzögert (LaTeX: U_u). Ist der Unterschied LaTeX: \Delta v, so folgt aus Gl.1, dass die Auftriebskraft pro Fläche durch den Druckunterschied LaTeX: \Delta p' \propto \rho Uv gegeben ist. Berücksichtigt man die gesamte Strömung und den Anstellwinkel LaTeX: \alpha des Flügels (s. Abb.1), so steigt die Auftriebskraft pro Fläche nach [1] mit dem Quadrat von U: LaTeX: F_A=const \rho U^2 a

Der zweite Grund ist die Zirkularströmung um die Körper, die der Grundströmung überlagert ist (s. Abb.1). Sie ist die Folge der Wirbelsätze. Beim Anfahren löst sich vom Ende der Flügel ein Wirbel ab. Damit die gesamte Zirkulation LaTeX: Z_{tot} konstant ist, bildet sich um den Flügel eine Zirkularströmung LaTeX: \Gamma aus. Während der Anfahrwirbel am Ausgangspunkt zurück bleibt, bewegt sich LaTeX: \Gamma mit dem Flugzeug oder Vogel mit, und trägt dauernd zum Auftrieb bei. Der Auftrieb ist durch die berühmte Gleichung von Kutta-Zhukovsky gegeben:


LaTeX: f_A=U\rho \Gamma (2)

Die Zirkularströmung um den Flügel trägt nicht zum Strömungswiderstand LaTeX: F_w bei. Am Ende der Flügel lösen sich jedoch ständig neue Wirbel ab und deren Erzeugung liefert einen wesentlichen Beitrag zum Widerstandsbeiwert (s. auch Aufgabe 25.3).

Abb.1. Zur Ausbildung der Zirkularströmung Z(v) um einen Flügel als Folge der Ablösung des Wirbels am Rand des Flügels.

Die Wirbelsätze spielen für das Fliegen von Vögeln eine besonders wichtige Rolle, da diese häufig starten. Die Wirbel werden vorwiegend durch die Abwärtsbewegung der Flügel erzeugt. Noch raffinierter nutzen Insekten die Wirbelgesetze aus, indem sei die Flügel rotieren. Der interessierte Leser findet reichlich Literatur auf der Homepage von Z. Jane Wang: http://dragonfly.tam.cornell.edu.

Referenzen:

[2] Landau, L.D. und Lifshitz, E.M. 'Lehrbuch der theoretischen Physik' Band VI Hydrodynamik.

Vogel- und Insektenflug.

Dickinson, M. H. Lehmann, F.-O. . Sane, S. P, 'Wing Rotation and the Aerodynamic Basis of Insect Flight', Science 284,1954 (1999).

Z. Jane Wang, Dragonfly Flight, Physics Today, October (2008)



Aufgabe 37.7:

Über die Rolle der Reynoldszahl für Konstrukteure

Wie in Kapitel 37 gezeigt wurde, ist die dimensionslose Reynoldszahl Re gleich dem Verhältnis der Beschleunigungskraft (pro Fläche) zur dynamischen Scherspannung: LaTeX: \sigma = \eta \frac{dU}{dz} \approx \eta \frac{u}{L}, wobei L die Dimension des Objekts ist:

LaTeX: Re= \frac{U \rho L}{\eta} (1)

Die Beschleunigungskraft LaTeX: \frac{1}{2}\rho v^2 ist identisch mit dem dynamischen Druck der Bernoulligleichung (Aufgabe 37.6). Die in Gl. (1) benutzte Näherung LaTeX: \frac{dv_x}{dz}\approx \frac{U}{L} wurde in der Aufgabe 11.2 begründet (allerdings für die mechanische Deformation).

Die Reynoldszahl wurde von Stokes 1851 eingeführt, während ihre Anwendung in der Technik erst durch O. Reynolds um etwa 1880 propagiert wurde. Sie spielt eine zentrale Rolle in den Ingenieurwissenschaften, bei der Übertragung der an Modellen erarbeiteten experimentellen und theoretischen Ergebnisse auf die Objekte in realer Größe. Außerdem charakterisiert sie den Übergang von der laminaren zur turbulenten Strömung, der oft bei einer kritischen Reynoldszahl LaTeX: R_c einsetzt. Wenn man die aerodynamischen Eigenschaften eines Vogels mit dem eines Flugzeugs vergleichen möchte, so kann man im Windkanal ähnliche Strömungsmuster durch Erhöhung der Geschwindigkeit einstellen.

Die Reynoldszahl spielt besonders für die Eigenschaften der laminaren Grenzschicht und damit die Reibung eine wichtige Rolle (s. [1] §39), wie schon in Aufgabe 25. 3 gezeigt wurde. Sie bestimmt das Verhältnis der Geschwindigkeitskomponenten parallel (U) und senkrecht (LaTeX: v_y) zur Grenzschicht oder deren Dicke LaTeX: \delta :

LaTeX: \frac{v_y}{U} \propto \sqrt{\frac{1}{Re}}LaTeX: \quad \quad \delta \frac{L}{\sqrt{Re}}


Referenz:

1 Landau, L.D. und Lifshitz, E.M., 'Lehrbuch der theoretischen Physik' Band VI Hydrodynamik.


Aufgabe 37.8:

Messung des Wassergehalts der Proteine.

Ein zentrales Problem bei der Messung von Proteinmassen mittels Ultrazentrifugen ist der, in der Regel unbekannte, natürliche Wassergehalt der Proteine. Man kann das Wasser durch Gefriertrocknen entfernen. Dabei wird in der Regel die Konformation der Proteine geändert oder sie werden völlig denaturiert. Durch Zugabe von Gefrierschutzmitteln (cryoprotectants), wie Sucrose, kann man die Denaturierung verhindern. Eine einfache Methode beruht auf der in der Aufgabe beschriebenen Volumometrie. Man gibt das getrocknente Protein (hier 1g der Dichte LaTeX: \rho_P=1.27 \frac{g}{Mol}) zu Wasser mit genau bekannter Dichte LaTeX: \rho_W. Man erwartet eine Volumenzunahme von LaTeX: \Delta V_{theor} = 0.79 cm^3. Beobachtet wird aber nur LaTeX: \Delta V_{exp}=0.75 cm^3, d.h. Wasser ist zwischen die Proteine eingedrungen, ohne dieses wesentlich aufzuquellen. Der Wassergehalt ist:

LaTeX: x_W=\frac{\Delta V_{theor}-\Delta V_{exp}}{V_0}=\frac{0.03}{0.78}=4 %

Referenz:

Allgemeine Literatur zum Wassergehalt von Proteinen:

Towns, JK. (1995). Moisture content in proteins: its effects and measurement J. of Chromatography A 705: 115-127.



Aufgabe 37.9:

Zur Trennung von Proteinen mittels statischer Zentrifugation.

Bei der Sedimentationsmethode beobachtet man (bei kleinen Drehzahlen) die Verteilung der Proteine im Schwerefeld. Aufgrund der Diffusion stellt sich nach Gl.37.13 eine Boltzmann-Verteilung der Dichte ein. Das Verhältnis der Teilchendichten LaTeX: \frac{n_1}{n_2} in den Abständen LaTeX: r_1 und LaTeX: r_2 ist:

LaTeX: \frac{n_1}{n_2}=e^{-\frac{\Delta E}{k_BT}}=e^{- \frac{m^*\omega^2}{2 k_BT}(r_2^2-r_1^2)} (1)

Berechnung von LaTeX: \frac{n_1}{n_2} mit folgenden Daten: Winkelgeschwindigkeit LaTeX: \omega = 1.000 \frac{rad}{s} (ca. 10.000 U/min). Hämoglobin Dichte LaTeX:  \rho=1.33 \frac{g}{cm^3}. Molekulargewicht LaTeX: 65000 \frac{g}{Mol}; LaTeX: m^*= (1-\frac{\rho}{\rho_0})m \approx 0.25 \cdot m; LaTeX: \omega^2= 4 \cdot 10^7 \frac{1}{s^2}; LaTeX: r_1= 10 cm; LaTeX: r_2=9.8 cm und LaTeX: (r_2^2-r_1^2)= 4cm^2 und LaTeX: \omega^2(r_2^2-r_1^2) =1.6\cdot  10^4 \frac{m^2}{s^2}. Das Gewicht des Hb ist m=LaTeX: \frac{65000}{6.3  \cdot 10^{23}}=1.03 \cdot 10^{-19} g; LaTeX: m^*=2.5 \cdot 10^{-20} g = 2.5 \cdot 10^{-23} kg. Daher wird LaTeX: \Delta E=1.8 \cdot 10^{-19} J und:

LaTeX: \frac{n_1}{n_2}~LaTeX: e^{-50}\approx 10^{-22} .

Das Ergebnis zeigt, dass die exponentielle Verteilung der Protein am Boden des Zentrifugenrörchens sehr scharf ist. Daher ist es unmöglich, Proteine ohne Dichtegradienten zu separieren

Aufgabe 37.10:

Die Schlierentechnik zum Nachweis der Sedimentation.

Zur Messung der Sedimentationsgeschwindigkeit der Teilchen während der Zentrifugation wird auch die Schlieren-Technik angewandt. Diese interessante Technik geht eigentlich auf Robert Hook zurück und wurde von A. Toepler zu einer Schlierenmikroskopie ausgebaut (1864). Sie spielt aber auch eine wichtige Rolle zur Visualisierung von Strömungen in der Hydrodynamik und Aerodynamik, wie die zwei Beispiele in Abb. 1b zeigen.

Bei der Anwendung in der Zentrifuge nutzt man die starke Abhängigkeit des Brechungsindex n(c) makromolekulare Lösungen von der Konzentration aus. In erster Näherung gilt:

LaTeX: n=const(<n>+ \frac{\partial n(r)}{\partial c}c(r))

Beim Durchtritt durch einen Gradienten des Brechungsindexes wird der Lichtstrahl wird in Richtung zur größeren Konzentration hin gebrochen. Das ungebrochene Licht wird durch die Blende im Fokus abgeblockt, wodurch ein helles Bild des Gradienten LaTeX: \frac{dc}{dr} auf dunklem Hintergrund entsteht.

Abb. 1:a) Optisches System zur Beobachtung eines Konzentrationsgradienten mit Hilfe der Schlieren-Technik (Dunkelfeld-Version). Nur Licht, das an dem Konzentrationsgradienten gebeugt wird, kann an der Blende vorbei gelangen, daher ist das Licht im Bereich homogener Konzentration dunkel (siehe z.B. [1]). b) Zwei Beispiel der Beobachtung der Dichteschwankungen der Luft mittels Schlierentechnik. Oben: Aufsteigende Luft über einer brennenden Kerze. Unten: Berühmtes Bild des Mach'schen Kegels beim Überschallflug. Beide Bilder stammen aus Wikipedia.


Referenz:

[1] Bergmann, Schäfer, Lehrbuch der Experimentalphysik - Band 3: Optik, de Gruyter - Berlin/New York, 10. Aufl. - 2004



Aufgabe 37.11:

Eigenschaften der Diffusionsgleichung :

Die Gaußfunktion in 1D: LaTeX: c(x,t)= \frac{1}{\sqrt{4\pi Dt}}e^{- \frac{x^2}{4Dt}}

Die Gaußfunktion in 3D: LaTeX: c(x,t)= \frac{1}{\sqrt{4\pi D^3t^3}}e^{- \frac{r^2}{4Dt}}

Das mittlere Verschiebungsquadrat (= Varianz):

In 1D: LaTeX: <x^2>=\frac{1}{\sqrt{4\pi Dt}} \int_{-\infty}^\infty x^2 e^{- \frac{x^2}{4Dt}} dx =2Dt= \sigma ^2

In 3D: LaTeX: <r^2>=<x^2+y^2+z^2>=\frac{1}{\sqrt{4\pi D^3t^3}} \int_{-\infty}^\infty x^2 e^{- \frac{x^2+y^2+z^2}{4Dt}} dx =6Dt


Aufgabe 37.12:

Scherinduzierte Aktivierung des vonWillibrandt-Fakors (vWF)

Der von Willibrandfaktor (vWF) spielt eine zentrale Rolle bei der Blutgerinnung (Hämostasie, engl. hemostasis) und bei der Wundheilung. Er wird von den Endothelzellen gebildet und schwimmt im Blutstrom mit. Es handelt sich um einen sehr großen supramolekularen Proteinkomplex, der aus mehreren Glykoproteinen besteht. Die Multimere können aus bis 80 Proteinen mit 250kDa Gewicht bestehen. Jedes dieser Bausteine enthält Bindungsstellen für verschiedene Bindungspartnern des Gewebes, (wie Kollagen, Fibronektin und Heparin) oder der Zellen (wie dem Integrin LaTeX: \alpha II_b\beta III und dem Glykoprotein-Rezeptor Ib/IX der Blutplättchen). Dadurch bildet der vWF eine Brücke zwischen dem Gewebe und den Zellen und dient der Vernetzung der Blutplättchen. Im Ruhezustand besitzt der vWF eine globuläre Struktur (mit Durchmessern von 50nm). Um die Koagulation des Blutes zu vermeiden, sind die meisten Bindungsstellen im Innern verborgen (s. Abb. 1a). Wird der vWF jedoch an einer Stelle fixiert und einer hydrodynamischen Strömung ausgesetzt so wird es gestreckt. Viele Bindungsstellen werden exponiert, d.h. der Proteinkomplex wird aktiviert. Die Knäulbildung ist also eine Art Selbstbehinderung des Proteinkomplexes.

Man nimmt an, dass eine solche hydrodynamisch induzierte Aktivierung bei der Wundheilung eine wichtige Rolle spielt, und zwar auf folgende Weise. Wenn die Adern durch eine Verletzung geöffnet werden, so erhöht sich die Strömungsgeschwindigkeit in diesem Bereich des Blutes. Der globuläre vWF wird geöffnet und verbindet die Blutplättchen mit Kollagen und Fibronektin, die ein Netzwerk bilden und die Wunde schließen.

Abb1. a) Elektronenmikroskopieaufnahme des vWF nach [1], oben im globulären und unten im gestreckten Zustand. Das Bild stammt aus [1]). b) Streckung des globulären Komplexes im Scherfeld nach Schneider et al [2]. c) Ein Modellexperiment: Streckung globulärer DNA durch hydrodynamische Scherfelder nach [3]. Ein Ende wurde an ein Latexkügelchen fixiert und festgehalten. Es schwebt daher frei in der Lösung. Im Fluß wird das Polymer gestreckt und nimmt eine trompetenartige Form an, da die Reibungskraft am Fixpunkt am größten ist.

Das Experiment von M. Schneider et al. [1] liefert experimentelle Hinweise auf dieses Modell. Die vWF wurden auf dem Boden einer Mikrozelle fixiert, die mit Kollagen bedeckt wurde. Hydrodynamische Scherfelder wurden über oberflächenakustischen Wellen erzeugt. Da sich akustische Anregungen auf Oberflächen als tangentiale Wellen ausbreiten können, lassen sich damit starke hydrodynamische Flüsse an fest-flüssig-Grenzflächen aufbauen. Man benutzt dabei piezoelektrische Bauelement, die über aufgedampfte Mikroelektroden angeregt werden. Man kann andererseits die Mikroelektroden als Empfänger akustischer Signale einsetzten was zum Aufbau von Biosensoren benutzt wird. Man analysiert dabei die Modulation der Wellenausbreitung durch biofunktionale Schichten. Abb. 2b zeigt die mittlere Ausdehnung des vWF bei steigender Scherrate LaTeX: \frac{d\theta}{dt}. Bei LaTeX: \frac{d\theta}{dt} \geq   5000 s^{-1} verlängert sich der Komplex und wird gestreckt. Gleichzeitig bilden sich durch den Kontakt mit Kollagen zweidimensionale Netzwerke aus. In der Regel sind die Scherraten in dünnen Blutgefäßen mittlerer Größe (LaTeX: 20-30 \mu m) von der Größenordnung LaTeX: \frac{d\theta}{dt}~101 3 k_BT. Im Bereich der durch Verletzung entstehenden Öffnungen der Blutgefässe kann die Scherrate aber sehr viel größer werden.

Es gibt eine Reihe theoretischer Modelle der scherinduzierten Streckung von Makromolekülen, auf die der interessierte Leser hingewiesen werden soll. Von Brochard et al wurde ein Modell auf der Basis des de-Gennes Blob-Modells flexibler Polymere entwickelt [3]. Netz et al [4] simulierte die Streckung des vWF durch Computersimulationen. Ein biologisch besonders relevantes Experiment stammt von Perkins et al.[5]. DNA wurde mit einem Ende an einer Kraftsonde fixiert und (ohne Berührung mit einer Oberfläche) im Scherfeld gestreckt. Die Deformation zeigt Abb. 1.c.

Referenzen:

1 Ohmori, K., (1982) 'Electron microscopy of human factor VIII/von Willebrand glycoproteinglycoprotein' effect of reducing agents oln structure and function. J. Cell Biology. 95:632-640.

2 Schneider, SW., et al (2007), 'Shear-induced unfolding triggers adhesion of von Willebrand factor fibers.' PNAS 104: 7899-7903.

3 Brochard, F., et al. (1994) 'Unwinding of Polymer Chains under Forces or Flows.' Europhys. Letters 26: 511-516

4 Alexander-Katz A., et al (2006) Phys Rev Lett. 97: 138101.

5 Perkins, TT. et al. (2995) Stretching oif single tethered polymer in uniform flow. Science 268: 83-86.